Resttradition

Die Heirat mit einem Norweger verpflichtet, wenigstens ein Mindestmaß an norwegischen Gepflogenheiten weiterzuführen.

Wir Nordstrands tanzen nicht um den Weihnachtsbaum – und unser eigenes Modell trägt auch keine norwegischen Flaggen.

Aus verständlichen Gründen essen wir auch keinen Sahnebrei mit Rosinen und rohem Schinken mehr, auch nicht, wenn Gäste kommen. Wir haben keine Tuben oder Tüten mit Majonaise auf dem Frühstückstisch, mit der wir nahezu jedes Brot kunstvoll verzieren.

Wir essen auch keinen Lutefisk (Trockenfisch). Wie ich mir im äußerst hilfreichen Booklet “Wie man einen Norweger versteht” anlesen durfte,wird Ausländern wie mir sowieso davon abgeraten. Denn niemand, der ihn nicht 90 Jahre lang verhältnismäßig regelmäßig gegessen hat, mag lutefisk. Aus dem gleichen Grund gibt es auch nur wenig Norweger, die lutefisk mögen.

Ein Grund, warum er dort trotzdem in rauhen Megen verkauft und gegessen wird, ist wahrscheinlich nationale Sturheit und dass man ihm einen gewissen pädagogischen Wert zuspricht: Kinder sollen lernen, stumm zu leiden und sich an die Unannehmlichkeiten des Lebens zu gewöhnen. Wenn du es schaffst, lutefisk zu schlucken, dann schaffst du es auch, die Unannehmlichkeiten des Lebens (Liebeskummer, entäuschte Hoffnungen, geplatzte Kaufverträge) usw. zu schlucken.

Wenn wir Gäste zum Frühstück bekommen,versuchen wir, eine Resttradition an norwegischem Lebensstil aufzutischen. Es gibt Brunost, den legendären braunen, süßen Molkekäse. Es gibt geräucherten Lachs mit Ei. Und irgendwo auf dem Tisch liegt sicher eine Tube Kaviar. Als Magne gestern sagte: “Gib mir mal den Kaviar”, horchten unsere Gäste auf. Welche Herrlichkeiten hatten sie denn auf unserem  reich gedecktem Tisch übersehen? Sie enspannten sich sichtlich, als sie erkannten, dass es sich um simplen Dorschroggen handelte, der auf jeden Fall auf dem gedeckten Tisch meiner Schwiegereltern niemals fehlt.

Die Ferien gehen dem Ende zu und das Wetter wird langsam frühlingshaft. Gestern beim Lauftreff waren wir immerhin schon zu fünft und liefen vergnügt unsere Strecke durch die Weinberge. Zusammen macht Bewegung einfach mehr Spaß. Ich glaube, das sahen die anderen genauso….