Vom Duzen und Siezen

“Braucht Ihr vielleicht neue Dachfenster?” , fragt ein mir völlig unbekannter, hemdsärmliger Mann an unserer Haustür. Ich versichere mich, dass kein Teenager hinter mir steht, den er meinen könnte, aber offensichlich meint er mich. Obwohl ich keinesfalls leger gekleidet, sondern noch im Kostümchen bin, weil ich gerade von der Arbeit komme, hat er keine Hemmungen, mich sofort zu duzen. Ein Du-Typ. Ich kläre ihn freundlich darüber auf, dass wir im Besitz von drei funkelnagelneuen Dachfenstern sind und joval grüßend zieht er von dannen.

Als Heike letztes Jahr ihren Nordic Walking Kurs bei uns in Würzburg gab, duzte sie spontan die ganze Gruppe – und mir blieb fast die Spucke weg. Huch. Nicht einmal ich kannte alle Anwesenden, sie kannte eigentlich keinen. Darunter waren Ehemänner von Bekannten, Teilnehmer meiner Treffen – für Heike kein Problem. “Ich duze Sie einfach mal alle – und wenn mich dann jemand zurück siezt, dann sieze ich auch”. Wie einfach :-)

Eine Kollegin von mir duzt fast grundsätzlich. Ein absoluter Kumpel-Typ, der mit ihrer geraden, herzlichen Art sofort die Türen aufgehen. Ich bescheinige ihr, ein Du-Typ zu sein. Sie müsste sich verbiegen, um neutral freundlich zu siezen.

Noch heute, nach 5 Jahren als Leiterin duze ich nicht einfach jede Kollegin, sondern eigentlich erst dann, wenn wir uns offiziell das Du angeboten haben.

In den Treffen sieze ich alle. Nur sehr junge Leute im Alter meiner Teenies werden geduzt. Manchmal wünschte ich mir, ich könnte mir eine Scheibe Lockerheit abschneiden. Und doch ist es wohl ganz OK, dass es unterschiedliche Menschentypen gibt.

Ach so, und bei uns in der Gemeinde wird geduzt. Außer Gäste, die werden freundlich mit einem “Sie sind herzlich willkommen” begrüßt”.