Der peinliche Trolley

Habe ich schon mal erwähnt, dass ich unperfektionistisch bin? Deswegen habe ich es leichter. Ich kann mit unperfektem Vorgarten leben und mit Bügelbergen. Hat vielleicht mit meinem Arbeitspensum zu tun, dass sowieso nie zu Ende geht. Wenn es danach gehen würde, dürfte ich mich nie entspannen. Und natürlich liegt es in meiner Natur. Ich finde Perfektionisten besser, lebe aber seit Jahren ganz gut mit mir.

Als ich mich Ende April nach Willingen aufmachte, war so ein unperfekter Tag. An dem ich viel geschafft habe, weil ich nicht perfektionistisch bin. Der Haushalt organisiert, aber nicht topp. Der Vortrag in der Tasche, aber noch nicht geschliffen. Deshalb musste mein Laptop mit. Mein Auto betankt, aber nicht gesaugt, mein Koffer gepackt, aber….

Als ich den Trolley ins Auto bugsieren wollte, entdeckte ich, dass die Räder defekt waren und der Griff lose. Ich hatte ihn gewählt, weil er die passende Größe für das Wochenende besaß. Eine unperfekte Frau denkt dann: Egal, ich muss los. Meine Mitfahrerin sollte pünktlich abgeholt werden.

Zwei Staus später lade ich meine Mitfahrerin ein, drei Stunden später in Willingen meinen Trolley aus. Ohne Räder, mit defektem Griff einen nicht zu verachtenden Berg hoch, hoffte ich, dass NIEMAND NACH DER ANREISENDEN REFERENTIN DES MORGIGEN WORKSHOPS Ausschau halten würde. Leider vergeblich. Ich musste an einer Fensterfront vorbei, an der reihenweise kaffeetrinkende Frauen saßen, die mir voll Mitleid freundlich zuwinkten. Und hinter mir….J. und B. aus unserer Gemeinde, die zeitgleich angekommen waren und direkt auf meinen räderlosen, griffdefekten Trolley schauen mussten.

Nach dem Gottesdienst heute kam J. auf mich zu. “Kannst Du mal mit mir ans Auto kommen?” Weil J. für ihre praktische Großzügigkeit weit und breit bekannt ist, dachte ich, jetzt wechselt ein Sack Kartoffeln den Kofferaum – ich liebe Kartoffeln – oder eine Schachtel ihrer berühmt-berüchtigten Nußecken. Als unperfekte Hausfrau habe ich heute natürlich einen Tiefkühlkuchen aufgetaut. Aber in ihrem Kofferraum lagen zwei neue Trolleys. Ein großer und ein kleiner  “weil du doch öfter mal unterwegs bist”. Mir schossen vor Rührung die Tränen in die Augen. Zusammen mit solchen Menschen kann ich mir erlauben, auch weiterhin unperfekt zu sein. Ich bin es ja sowieso. Aber so muss es mir noch nicht mal peinlich sein.

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